Grundsätze unserer Gleichstellungsarbeit

Die rechtliche Grundlage für die Gleichstellungsarbeit an niedersächsischen Hochschulen bildet insbesondere das  niedersächsische Hochschulgesetz. Dort heißt es: „Die Hochschulen fördern bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die tatsächliche Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern und wirken auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin (Gleichstellungsauftrag)“ (§ 3 Absatz 3 Satz 1 NHG).

Die an der Universität Osnabrück praktizierte Gleichstellungsarbeit geht weit über diesen gesetzlich verankerten Auftrag hinaus. So wird dem Ziel einer geschlechtergerechten Hochschule eine geschlechtervielfältige und intersektionale Perspektive vorausgesetzt, die Gleichstellungsbemühungen erstrecken sich also auf alle durch patriarchale Strukturen benachteiligte Geschlechter und erkennen die wechselseitige Einwirkung unterschiedlicher Diskriminierungsformen und Herrschaftssysteme aufeinander an. Diese und weitere theoretische und handlungspraktische Grundsätze prägen die Arbeit der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und der Mitarbeiter*innen des Gleichstellungsbüros.

Der Begriff der Intersektionalität wurde von der Schwarzen Feministin Kimberlé Crenshaw (1989) entwickelt und fungiert seither als Instrument zur Analyse sozialer Ungerechtigkeiten. Am Beispiel Schwarzer Frauen zeigt Crenshaw auf, wie verschiedene Herrschaftssysteme wechselseitig aufeinander einwirken und Diskriminierungen schaffen, die keinem der beiden Systeme (Geschlecht oder Race) allein zugeordnet werden können. Illustriert wird diese Verflechtung anhand der diskriminierenden Einstellungspraktiken einer Firma, die Schwarze Frauen in Bewerbungsverfahren systematisch benachteiligt. Da jedoch keine Benachteiligung von weißen Frauen oder Schwarzen Männern zu erkennen ist, kann die hier vorliegende Diskriminierung nicht als solche erkannt werden, wenn die Analyse sich auf lediglich eine der Dimensionen von Geschlecht oder Race beschränkt. Vielmehr muss das gemeinsame Wirken rassistischer und patriarchaler Strukturen anerkannt werden.

In den letzten Jahren wurde zunehmend kritisiert, dass Gleichstellungsarbeit an bundesdeutschen Hochschulen im deutschsprachigen Raum keine ausreichend intersektionale Perspektive annimmt und sich zu stark an der Lebensrealität weißer cis Frauen orientiert. Diese Kritik ernst nehmend, sind die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und die Mitarbeiter*innen des Gleichstellungsbüros ausdrücklich bestrebt, das (Zusammen)Wirken verschiedener Herrschaftssysteme in ihrer Analyse von universitären Strukturen und Praktiken zu berücksichtigen und Gleichstellungsmaßnahmen und –angebote dieser Analyse entsprechend zu gestalten und weiterzuentwickeln. In diesem Sinne fungiert die zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Osnabrück als Projektleitung in der  4. Runde der Dialoginitiative „Geschlechtergerechte Hochschulkultur“ (2023-2026), die sich zum Ziel gesetzt hat, eine gemeinsame Position zur intersektionalen Ausrichtung von Gleichstellungsarbeit für alle niedersächsischen Hochschulen zu formulieren sowie deren Implikationen auszuloten und Handlungsbedarfe abzuleiten. 

Die Gleichstellungsakteur*innen an der Universität Osnabrück erkennen die Vielfalt der Geschlechter an und sind sich bewusst, dass Personen mit einer Geschlechtsidentität außerhalb der binären Geschlechtervorstellung im Wissenschaftssystem und darüber hinaus strukturell benachteiligt werden. Insofern erstreckt sich die Zielgruppe ihrer Gleichstellungsbemühungen über die Gruppe der Frauen hinaus auf alle Personen, die geschlechtsbasierte Diskriminierung erfahren (FLINTA*).

Gleichwohl müssen wir selbstkritisch anerkennen, dass auch die Auswertung der Daten im Gleichstellungsbüro bisher nicht geschlechtervielfältig erfolgt ist. Zudem sind viele Maßnahmen im Gleichstellungsbüro über Drittmittel finanziert, deren Fokus noch immer stark auf der Frauenförderung liegt. Auch auf dieser Ebene sind Gleichstellungsakteur*innen bemüht Veränderungen herbeizuführen. Sollten Sie Interesse an einem Beratungs- oder Unterstützungsangebot haben,  sich aber nicht in der angesprochenen Zielgruppe wiederfinden oder sich diesbezüglich unsicher sein, melden Sie sich gerne bei den Mitarbeitenden des Gleichstellungsbüros. Wir sind bemüht, uns in diesem Kontext stetig weiterzuentwickeln und sind daher für konstruktive Kritik offen.

Die Arbeit der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und der Mitarbeitenden des Gleichstellungsbüros zeichnet sich durch ein hohes Maß an Professionalität aus. Ratsuchende erhalten eine vertrauliche und auf Expert*innenwissen basierende Beratung. Die Kenntnisse der Mitarbeitenden werden regelmäßig durch die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen sowie durch den Austausch mit anderen Gleichstellungsakteur*innen erweitert.

Entscheidungen bezüglich des Beratungs- und Unterstützungsangebotes sowie weiterer struktureller Gleichstellungsmaßnahmen werden datenbasiert und nach gründlicher Analyse der vorliegenden gleichstellungspolitischen Lage auf zentraler wie dezentraler Ebene getroffen. Bestehende Maßnahmen sind einer regelmäßigen Evaluation im Hinblick auf die gesetzten Gleichstellungsziele ausgesetzt und werden bei Bedarf modifiziert oder weiterentwickelt.

Neben der Beratung in akuten Situationen gewinnt das Konzept des Empowerments innerhalb unserer Arbeit immer mehr Bedeutung. Hiermit möchten wir insbesondere die Selbstwirksamkeit, die Fähigkeit zur Autonomie und Selbstbestimmtheit stärken, um auch auf dieser Ebene Effekten struktureller Benachteiligung entgegen zu wirken. Hiermit wenden wir uns ab von einer defizitorientierten Perspektive auf Ratsuchende, hin zu einer stärkenorientierten Wahrnehmung. Das Vertrauen der Ratsuchenden in ihre eigene Fähigkeit, mit Herausforderungen und Problemen umzugehen, soll also gestärkt werden.

Im Hinblick auf Fragen der Geschlechtergerechtigkeit gibt es große Unterschiede in den Fachbereichen und Fächerkulturen. So verzeichnen manche Fächergruppen beispielsweise wenige FLINTA* unter ihren Studienanfänger*innen, es gelingt ihnen aber, den FLINTA*-Anteil über die verschiedenen Qualifizierungsstufen hinweg nahezu zu halten. Andere Fächergruppen hingegen beginnen mit einem hohen FLINTA*-Anteil, dieser verringert sich allerdings teils drastisch mit jeder Stufe auf dem Weg zur Professur (eine Analyse der Gleichstellungs Fächergruppen an der Universität Osnabrück findet sich im  Gleichstellungskonzept für Parität (2023) (PDF, 5.21 MB)).

Entsprechend unterscheiden sich die Gleichstellungsziele und –bedarfe dieser Fächergruppen. Die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und die Mitarbeitenden des Gleichstellungsbüros sind daher bemüht, gemeinsam mit den dezentralen Gleichstellungsbeauftragten bedarfsgerechte Gleichstellungsmaßnahmen für die dezentrale Ebene auszuarbeiten und einzuführen.

Ein Kulturwandel wird nicht dadurch erreicht, dass die Gleichstellungsakteur*innen an zentraler Stelle Maßnahmen konzipieren und durchführen. Vielmehr bedarf es der aktiven Beteiligung von Angehörigen der Universität in allen Fachbereichen und Organisationseinheiten. Wenn Sie also an Ihrem Studien- oder Arbeitsplatz Bedarfe erkennen oder Ideen für Gleichstellungsprojekte haben, melden Sie sich jederzeit bei den Mitarbeitenden im Gleichstellungsbüro. Gerne stellen wir Ihnen unsere Expertise zur Verfügung, verweisen Sie an potentielle Kooperationspartner*innen oder kooperieren selbst mit Ihnen.

Gleichstellungsarbeit ist ein dynamisches Feld und die Gleichstellungsakteur*innen lernen stets dazu. Für die Äußerung von konstruktiver Kritik sind sie daher immer offen und dankbar.

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