Wie finde ich ein Thema?
Der erste große Schritt beim Schreiben jeder schriftlichen Arbeit ist die Themenfindung. Das Thema muss vielen Ansprüchen genügen: Es muss sich innerhalb der angegebenen Seiten- bzw. Zeichenvorgabe bearbeiten lassen, darf weder zu breit noch zu eng gefasst sein, sollte relevant sein und muss zunächst vor allem euer Interesse wecken – und schließlich auch das der Leser*innen. Außerdem hängt vieles vom Thema ab: die Literaturauswahl, die Auswahl der Methoden, die Gliederung und natürlich die eigene Motivation. Die Themenfindung ist zudem ein sehr individueller Prozess, der von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird; etwa dem Studienfach, den Vorgaben der Betreuer*innen oder der eigenen Arbeitsweise. Deshalb wollen wir euch hier einige Tipps und Strategien vorstellen, die euch dabei helfen können, ein Thema zu finden und so zu definieren, dass es sowohl euren als auch den äußeren Ansprüchen genügt.
„Thema“ wird häufig als Oberbegriff für verschiedene Bestandteile einer Arbeit genutzt, daher wollen wir an dieser Stelle kurz die drei zentralen Konzepte vorstellen, um die es hier geht. Unter Thema verstehen wir den inhaltlichen bzw. fachlichen Kontext, in den sich eure Arbeit einordnen lässt. Mit dem Thema beantwortet ihr die Frage: „Worüber schreibst du?“, wenn euch beispielsweise Kommiliton*innen fragen, die zwar durchaus eine Vorstellung von eurem Fach haben, aber keine Expert*innen in eurem Thema sind. Die Fragestellung grenzt das Thema weiter ein, sie definiert, was genau ihr in eurer Arbeit herausfinden oder zeigen wollt. Das Ziel der Arbeit schließlich beantwortet die Frage: „Warum möchte ich das wissen?“ Vielleicht wollt ihr zur Lösung eines Problems beitragen, euch innerhalb einer fachlichen Debatte positionieren, ein Phänomen (neu) betrachten oder ihr habt praktische Anwendungen im Blick. Oft ergibt sich das Ziel auch direkt aus der Fragestellung bzw. deren Antwort. Die folgende Tabelle enthält Beispiele für Themen, Fragestellungen und Ziele:
Thema (Worüber schreibst du?) | Der Einsatz von SMS in der Patientenbetreuung | Doping im Profisport - Strafbarkeit de lege lata und de lege ferenda unter Berücksichtigung des Kernstrafrechts und des Arzneimittelgesetzes | Law and Order in Superhelden-Filmen |
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Fragestellung (Was genau möchtest du herausfinden?) | Welches Potential hat der Einsatz von SMS für die Nachbetreuung von alleinlebenden Patienten? | Wie macht sich der selbstdopende Sportler nach geltendem Recht strafbar und ist eine Gesetzesanpassung notwendig? | Inwieweit reproduzieren zeitgenössische Superhelden-Comic Verfilmungen eine Law and Order Politik? |
Ziel (Warum möchtest du das herausfinden?) | Ich möchte zeigen, unter welchen Bedingungen der Einsatz von SMS in der Nachbetreuung sinnvoll sein kann, damit Klinikpersonal diesbezüglich bessere Entscheidungen treffen kann. | Ich möchte zeigen, wie sich ein selbstdopender Sportler nach geltendem Recht strafbar macht und welche Probleme dabei auftreten. Im Anschluss möchte ich zeigen, ob und wie Gesetze geändert werden müssen, um den Problemen zu begegnen. | Ich möchte zeigen, dass populäre Filme oft bestimmte Ideologien repräsentieren und dass sich eine Auseinandersetzung damit lohnt. |
Tab. 1: Beispiele für Thema, Fragestellung und Ziel
Brainstorming (Beinke et al. 2011: S. 19-29) – Schreibt alle Ideen, Fragen oder auch Emotionen auf, die ihr mit den Seminarinhalten assoziiert:
- Schreibt einen zentralen Begriff oder den Titel des Seminars oben auf ein Blatt.
- Notiert assoziativ alle Gedanken dazu.
- Streicht alle sinnlosen oder sich wiederholenden Punkte.
- Sortiert die einzelnen Punkte thematisch und bringt sie in eine hierarchische Ordnung.
- Wählt Schwerpunkte aus - vielleicht ist darunter bereits einer, der schon ein grobes Thema darstellen könnte.
Überlegt euch, welche Überschneidungen es gibt zwischen dem Seminarthema und eurem Vorwissen, euren Hobbys, eurer Lebenssituation, eurem Ehrenamt etc. Ihr könnt diese Überschneidungen in einem Venn-Diagramm visualisieren:
Sucht das Gespräch mit Kommilton*innen. Trefft euch in einer Kleingruppe und führt ein gemeinsames Brainstorming durch (Esselborn-Krumbiegel 2015: S. 34).
Lest Einstiegsliteratur zum Seminarthema, etwa aus Handbüchern, Fachlexika oder Lehrbüchern. Hier findet ihr häufig Hinweise zu offenen Fragen, Kontroversen oder verschiedenen Sichtweisen, die einen Anhaltspunkt für die Themenwahl bieten.
Cluster - eine weitere Methode des Assoziierens (nach Esselborn-Krumbiegel 2014: S.41):
- Schreibt einen zentralen Begriff oder den Titel des Seminars mittig auf ein großes Blatt Papier und umkreist diesen.
- Von diesem zentralen Begriff ausgehend, schreibt alle weiteren Assoziationen auf und umkreist sie ebenfalls. Verbindet sie mit dem zentralen Begriff bzw. miteinander.
- Verfolgt zunächst einen „Zweig“, bis alle Ideen dazu ausgeschöpft sind. Beginnt dann einen neuen Zweig.
- Lasst eure Gedanken möglichst unkontrolliert entfalten. Wertet erst zum Schluss das Cluster nach brauchbaren Ideen aus.
Im unten stehenden Beispiel wurden verschiedene Farben eingesetzt, um Über- und Unterthemen sowie erste Erkenntnisse festzuhalten.
Das Thema konkret einzugrenzen ist eine der wichtigsten Aufgaben, der ihr euch stellen müsst. Es besteht sonst die Gefahr, eine Arbeit zu schreiben, die zwar insgesamt „irgendwas“ mit dem Thema zu tun hat, aber nicht zielgerichtet ist. Dies kann, z.B. aufgrund ausufernder und letztlich nutzloser Recherche, zu hohem Zeit- und Motivationsverlust führen. Daher ist es wichtig, Schwerpunkte zu setzen und eine konkrete Fragestellung bzw. ein konkretes Ziel festzulegen.
Freewriting (Wolfsberger 2010: S. 82 u. S. 141-142)
- Wählt euer (grobes) Thema als Ausgangspunkt.
- Legt einen Zeitraum fest: 10, 15 oder 20 Minuten – stellt euch einen Timer (Handy, Eieruhr).
- Schreibt einfach drauf los, was immer euch durch den Kopf geht, dabei den Stift nicht absetzen, nicht aufhören, nicht lesen, was ihr schreibt, nichts durchstreichen und nicht auf Rechtschreibung oder Grammatik achten!
- Versucht einfach, euren Gedanken zu folgen. Wenn ihr stockt, schreibt einfach „mir fällt nichts ein“ oder „was noch?“, bis ihr wieder zurück in den Fluss findet.
- Wenn die Zeit um ist, schreibt den letzten Gedanken zu Ende.
- Ab jetzt dürft ihr wieder kontrollieren: Lest euren Text und markiert alles, was brauchbar erscheint.
Recherche mit Schlagwörtern: Sucht in einer relevanten Fachdatenbank nach zentralen Begriffen eures Themas. Schaut euch dann in der Ergebnisliste oder in den einzelnen Einträgen die Schlagwörter oder Tags an, die mit den Einträgen verknüpft sind. Diese können Hinweise auf konkretere Fragestellungen innerhalb des Themengebiets geben.
Die Interessens- Wissens- Fragentabelle nach Grieshammer (2012: S. 182f.) hilft, weitere Unterthemen zu identifizieren:
Diese Unterthemen interessieren mich: | Dieses Wissen/Material/diese Literatur habe ich schon dazu: | Das muss ich noch herausfinden/diese Fragen habe ich dazu |
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Superheldinnen vs. Superhelden (geschlechtliche Unterschiede in der filmischen Darstellung) | Aufsatz über Wonder Woman | In dem Aufsatz geht es um die Comics, aber ich möchte mich mit Filmsprache auseinandersetzen, ich brauche Material dazu. |
... | ... | ... |
Tab. 2: Interessens- Wissens- Fragentabelle
Looping ist eine Variante des Freewritings, bei der man abwechselnd frei schreibt und über das Geschriebene reflektiert (nach Thomson 2018: o.S.):
- Schreibt zunächst frei 5-15 Minuten über euer grobes Thema (s.o., Freewriting).
- Lest und analysiert, was ihr geschrieben habt. Sucht nach dem zentralen Gedanken, dem interessantesten Einfall, dem detailreichsten Aspekt oder der fesselndsten Frage – das Ziel ist, den Kerngedanken zu identifizieren. Fasst diesen Kerngedanken in einem Satz zusammen – vielleicht in Form einer Frage.
- Nehmt den Kerngedanken als Ausgangspunkt für ein weiteres Freewriting.
- Wiederholt Schritt 2.
- Wiederholt den ganzen Prozess beliebig oft.
Looping kann dabei helfen, zentrale Aspekte eines Themas zu identifizieren, welche die Basis für eine Fragestellung oder zumindest eine systematischere Herangehensweise liefern können.
Mit der Eingrenzungstabelle (Grieshammer 2012: S. 176f.) könnt ihr anhand von verschiedenen Kriterien überlegen, wie sich euer Thema weiter konkretisieren lässt:
Kriterium | Beispielthema: „Der Einsatz von SMS in der Patientenbetreuung“ |
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Zeit | Nach einer Behandlung |
Ort | Klinik/privater Wohnraum |
Auswahl | Alleinlebende Patienten |
Schwerpunkt | Appendektomie |
Vergleich | Ohne die Unterstützung durch SMS |
Beispiel | Patienten haben Fragen zu körperlicher Betätigung nach der OP |
fachlicher Blickwinkel | Verhinderung von Komplikationen vs. Aufwand seitens der Klinik |
Material/Methode | Zwei Fallstudien |
Tab. 3: Eingrenzungstabelle mit Beispielen
Ein Mindmap (hier nach Esselborn-Krumbiegel 2015: 56ff.) kann hilfreich sein, wenn ihr euch bereits etwas in euer Thema eingelesen habt. Es schafft Struktur und kann somit bei der Planung der Arbeit hilfreich sein. Auch hier schreibt ihr einen zentralen Begriff – euer Thema – mittig auf ein großes Blatt Papier und umkreist diesen. Nun bildet ihr, ähnlich wie beim Cluster, Verzweigungen zu Unterthemen. Geht dabei jedoch systematisch vor. Das Ziel ist, Zusammenhänge zu visualisieren. Führt dies mehrmals durch und testet verschiedene Gruppierungen aus. Ihr könnt dabei auch mit einzelnen Zetteln arbeiten, die ihr vor euch ausbreitet oder an eine (Pinn-)Wand heftet; so könnt ihr das Mindmap leicht anpassen, wenn ihr neue Erkenntnisse gewonnen habt. Das Mindmap hilft, sowohl die Schwerpunkte als auch die Lücken der (geplanten) Arbeit zu erkennen. Bringt die Verzweigungen in eine sinnvolle Reihenfolge, um eine grobe erste Gliederung der Arbeit zu erstellen.
Es kann durchaus vorkommen, dass euch ein Thema vorgegeben wird. In manchen Disziplinen, etwa den Rechtswissenschaften, ist dies sogar üblich. Bei einem vorgegebenen Thema sollte der erste Arbeitsschritt die Themenanalyse sein. Im Optimalfall besteht das Thema aus einer einzelnen Anweisung, die thematisch eindeutig zugeordnet werden kann: „Skizzieren Sie die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes“ (Bsp. nach: Schimmel et al. 2015: Rn. 22.). Häufiger ist das Thema jedoch weiter gefasst und bedarf der Analyse.
Ein deutlicher Anhaltspunkt für eine inhaltliche Ausrichtung der Arbeit kann in Einstiegsliteratur gefunden werden. Diese sollte mit größter Sorgfalt gelesen werden, finden sich in ihr doch häufig Hinweise darauf, wie die Betreuer*in das Thema verstanden wissen möchte.
Bei einem weit gefassten Thema kann ein dreischrittiges Vorgehen helfen: 1. Feststellen des Satzgerüsts, 2. Ermitteln der tragenden Begriffe und 3. Stellen der Kernfrage(n) (Hierzu und zum Folgenden Schimmel et al. 2015: Rn. 25ff.):
Beispiel: „Der polnische Präsident (Subjekt) hat sich (Prädikat) kürzlich in einer europaweit scharf kritisierten Aussage für die Wiedereinführung der Todesstrafe (Objekt) für bestimmte Straftaten (u. a. für Sexualmorde an Kindern) ausgesprochen (Prädikat). Erläutern Sie die Kritik aus europarechtlicher Perspektive!“
Satzgerüst | Der […] Präsident hat sich […] für die Wiedereinführung der Todesstrafe […] ausgesprochen. →Hilft bei langen/verschachtelten Sätzen, den Hauptsatz und damit die Kernaussage zu finden. |
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Tragende Begriffe |
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Teilfragen | Aus den tragenden Begriffen können Teilfragen ermittelt werden:
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Tab. 4: Teilfragen generieren
Aus den Teilfragen kann dann in einem weiteren Schritt eine Kernfrage für die Arbeit entwickelt werden, beispielsweise: Ist die Wiedereinführung der Todesstrafe mit europäischem Recht vereinbar? Generell gilt bei einem weit gefassten Thema, dass ihr eine relativ große Freiheit habt, Fragestellung und Schwerpunktsetzung zu entwerfen. Hier müsst ihr also ebenso eingrenzen wie bei einem selbst gewähltem Thema.
Bei einem interpretationsfähigen Thema kann auch ein klärendes Gespräch mit dem/der Betreuer*in helfen.
Beispiel: „Doping im Profisport - Strafbarkeit de lege lata und de lege ferenda unter Berücksichtigung des Kernstrafrechts und des Arzneimittelgesetzes“
→ Es geht bei diesem Thema einerseits um die Strafbarkeit nach geltendem Recht (de lege lata) und nach zu machendem Recht (de lege ferenda). Bei der Strafbarkeit nach geltendem Recht können sich verschiedene Schwerpunkte ergeben:
- Die Strafbarkeit aller Beteiligten (selbstdopender Sportler, Sportärzte, die Sportler dopen, Vereine, die Doping tolerieren oder Dopingmittel kaufen, Eltern etc.). Bei einem solchen Verständnis führt dies eher zu einer Überblicksarbeit.
- Strafbarkeit eines Beteiligten (selbstdopender Sportler). Dann handelt es sich eher um eine dogmatische Arbeit, die sich mit einem Einzelproblem auseinandersetzt.
Wenn ihr mit einigen der hier vorgestellten Strategien gearbeitet habt, seid ihr eurem Thema schon einige Schritte nähergekommen. Versucht zum Abschluss, Thema, Fragestellung und Ziel anhand des Dreischritts nach Grieshammer (2012: 178ff.) konkret auszuformulieren. Vervollständigt folgenden Satz:
Ich untersuche/schreibe über... weil ich herausfinden/verstehen möchte... um zu überlegen/zu zeigen/zu prüfen ….
Nun formuliert Punkt 2 zu einer Frage um und Punkt 3 zu einem Satz, der beginnt mit: „Ziel dieser Arbeit …“. Voila, das sind eure Forschungsfrage und euer Ziel!
Nehmt euch bei der Themenwahl und zur Ermittlung eurer Fragestellung entsprechend Zeit. Es handelt sich um einen der wichtigsten Bearbeitungsschritte, über den entsprechend nachgedacht werden muss. Es ist normal, das Thema nach erster Recherche noch einmal zu ändern oder anzupassen. Vielfach werden Thema und Fragestellung zunächst auch zu weitläufig festgelegt und im Verlauf der Recherche/Bearbeitung weiter eingegrenzt, da der begrenzte Platz zu starker Schwerpunktsetzung zwingt. Sucht das Gespräch mit Kommiliton*innen. Viele Ideen für eine Fragestellung und inhaltliche Schwerpunkte können sich aus der Diskussion ergeben.
Beinke, Christiane et al. (2016): Die Seminararbeit. Schreiben für den Leser. 3., völlig überarbeitete Auflage. Konstanz, München: UVK Verlagsgesellschaft mbH; UVK/Lucius (= UTB Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften; 8390)
Esselborn-Krumbiegel, Helga (2014): Von der Idee zum Text. Eine Anleitung zum wissenschaftlichen Schreiben. 4., aktualisierte Aufl. Paderborn, Stuttgart: Schöningh; UTB (= utb-studi-e-book; 2334)
Esselborn-Krumbiegel, Helga (2015): Tipps und Tricks bei Schreibblockaden. Paderborn: Ferdinand Schöningh (= Stark fürs Studium; 4318)
Esselborn-Krumbiegel, Helga (2019): Die erste Hausarbeit - FAQ. Paderborn, Stuttgart: Schöningh; UTB (= utb-studi-e-book; 5129)
Grieshammer, Ella et al. (2013): Zukunftsmodell Schreibberatung. Eine Anleitung zur Begleitung von Schreibenden im Studium. 2., korr. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verl. Hohengehren
Schimmel, Roland et al. (2011): Juristische Themenarbeiten. Anleitung für Klausur und Hausarbeit im Schwerpunktbereich, Seminararbeit, Bachelor- und Master-Thesis. 2. Aufl. Heidelberg u. a.: C. F. Müller
Thomson, Pat (2018): „ Looping - a free writing strategy for generating ideas“
Wolfsberger, Judith (2010): Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. 3. Aufl. Wien: Böhlau (= UTB Schlüsselkompetenzen; 3218)
Hinweis: Wir verwenden hier den Zitationsstil nach: Niederhauser, Jürg (2006): Duden. Die schriftliche Arbeit - kurz gefasst. 4., neu bearb. und aktualisierte Aufl. Mannheim: Dudenverlag