Rückblick: Das MentUOS
Acht Jahre Mentoring zur geschlechtergerechten Karriere- & Berufsförderung
Nach acht Jahren MentUOS verabschieden wir uns schweren Herzens von unserem Mentoring-Programm – und geben einen Rückblick. Wir schauen zurück auf sieben Durchgänge mit insgesamt über hundert Mentor*innen und Mentees aus zehn Fachbereichen und reflektieren über Erfahrungen, Eindrücke und Gelerntes.
Beginnen wir am Anfang: Als das Gleichstellungsbüro der Universität Osnabrück im September 2015 mit dem Aufbau eines Mentoring-Programms spezifisch für Studentinnen sowie für inter- und nicht-binäre Studierende begann, war die Idee einer Förderung, die bereits in der Studienphase begann, neu: Es galt als Ausnahme der Regel eines Förderungsstarts ab der Promotionsphase. Das MentUOS versprach somit das Erschließen ganz neuer Möglichkeiten der Studien-, Berufs- und Karriereentwicklung – und der Potentialförderung.
Es entstand ein Programm mit vielseitiger und mehrdimensionaler Zielsetzung, das die Berufs- und Karriereaussichten der Student*innen gezielt erweitern, sie beim Übergang vom Studium in den Beruf begleiten und in ihren persönlichen und beruflichen Zielsetzungen unterstützen sollte. Dabei zielte das Programm nicht nur darauf, durch seine Rahmung Reflexionsprozesse anzustoßen, sondern auch darauf eigene Kompetenzen sichtbar zu machen und zu stärken, Netzwerke aufzubauen und Raum für Erfahrungsaustausch zu schaffen.
Aber ein Mentoring-Programm, das Studenten ausschließt? Das ist ungerecht! Mit dieser Behauptung sah sich die Projektleiterin Greta Schaffer-Weiß nicht nur einmal konfrontiert. Was sind die Hintergründe dieser Zielgruppensetzung? Nimmt man die für viele vermeintlich bereits erreichte Chancengerechtigkeit genauer unter die Lupe, liegt die Antwort auf der Hand. Mädchen machen im Vergleich häufiger Abitur. Frauen brechen seltener ihr Studium ab. Die Hälfte aller Promovierenden sind Frauen. Trotzdem werden sie schlechter bezahlt, besetzen seltener Führungspositionen – Professuren sind deutlich seltener von Frauen besetzt. Nach wie vor bestehen in Deutschland strukturelle Benachteiligungsmechanismen aufgrund von Geschlecht – zuungunsten von Frauen, aber auch von inter-, nicht-binären und agender-Personen. Die Zeit des Berufseinstiegs und des Übergangs vom Studium in den Beruf ist sowieso schon herausfordernd. Für Studentinnen, inter-, nicht-binäre und agender-Studierende jedoch verschränken sich diese Herausforderungen mit strukturellen Benachteiligungsmechanismen und schaffen eine spezifische und nachteiligere Position. Dieser Position ist MentUOS begegnet. Und zwar nicht nur durch die Unterstützung der eigenen Karriereplanung und der Sensibilisierung für Geschlechter(un)gerechtigkeiten, sondern auch: durch die gezielte Förderung einer ansonsten benachteiligten Personengruppe.
Die Zielsetzung von MentUOS war vielseitig in der Konzeption – und damit herausfordernd in der Umsetzung. Wie kann die praktische Verwirklichung von Übergangsbegleitung, Reflexion des Werdegangs und beruflicher Ziele und gleichzeitigem Netzwerkaufbau aussehen? Und dies alles unter dem Aspekt der Reflexion von geschlechtsbedingten Gesellschaftsstrukturen? Wir setzten diese Ziele in einzelnen Komponenten um, die wir durch eine übergeordnete Rahmung miteinander verknüpften.
Mentoring – Komponente 1
Die Student*innen erwartete zunächst einmal das, was schon im Namen steht: Eine*r Mentor*in, eine berufserfahrene Person aus Wissenschaft, Wirtschaft oder Verwaltung, mit einem Netzwerk, mit einem individuellen Werdegang. Der*die Wunschmentor*in unterstützte seinen*ihren Mentee bei der beruflichen aber auch persönlichen Entwicklung, er*sie war Wegbegleiter*in, Türöffner*in und ermöglichte die Teilhabe an eigenen Erfahrungen und Handlungsstrategien für den*die Mentee mit ähnlichen beruflichen Wünschen. Als Beratungs- und Austauschbeziehung war die Mentoring-Beziehung das Herz des Programms. Mindestens acht Monate lang begleiteten und berieten die Mentor*innen die Mentees. Die Art und Weise sowie die Häufigkeit der Treffen wurde dabei von Mentor*in und Mentee in gegenseitiger Absprache selbstständig gestaltet und organisiert.
Workshopreihe – Komponente 2
MentUOS also als reine Beratung? Keineswegs. Inhaltlich wurde jeder Mentoring-Durchgang begleitet von einer Workshop-Reihe, die insbesondere die Berufs- und Lebensplanung der Mentees fokussierte. Wie meistere ich ein Bewerbungsgespräch erfolgreich? Wie schaue ich nicht nur auf meine Schwächen, sondern fokussiere mehr meine Stärken? Wie lerne ich mehr rund um die Themen Gender und Diversity? Die Workshopreihe bot den Teilnehmenden einen bunten Mix aus Empowerment-Angeboten, die praktisch Orientierung, Halt und wichtiges theoretisches Wissen boten und den Berufseinstieg erleichterten.
Rahmenveranstaltungen – Komponente 3
Durch die übergeordnete Organisation rahmte das Gleichstellungsbüro der Universität Osnabrück, organisational und zeitlich: Mit einem Vorbereitungstreffen startete der neue Durchgang frisch in das Mentoring-Jahr und die Matching-Phase mit ihren Wunschmentor*innen und vernetzten sich in Kleingruppen zu Teams. In diesen Teams planten die Mentees eigene Netzwerk-Abende und konnten so selbst inhaltliche Akzente setzen. Die Auftakt-, Zwischenevaluations- und Abschlussveranstaltung, inklusive feierlicher Staffelübergabe und der Vergabe der Teilnahmezertifikate, rundeten das Programm für die Teilnehmenden ab.
In einem zeitlichen Wechsel prägten so die Veranstaltungen und Treffen der verschiedenen Komponenten das MentUOS-Jahr – für die Mentees, aber auch die Mentor*innen – und verknüpften sich so organisch zu einer Lernerfahrung, die den Aufbau von vernetztem, handlungsorientiertem Wissen nicht nur förderte, sondern explizit umsetzte.
Mit diesem Erfolg trug das Gleichstellungsbüro auch zu einer der zentralen Aufgaben der Universität bei: die neben der Vermittlung von Studieninhalten oft übersehene Unterstützung beim Studienabschluss. Der Studienabschluss ist für viele Studierende mit vielen Unsicherheiten verbunden. Wie geht es weiter? Welche berufliche Richtung möchte ich innerhalb meiner Disziplin einschlagen? Was brauche ich für den Berufseinstieg? Zur Auflösung dieser Unsicherheiten braucht es Unterstützung, es braucht Beratungsangebote.
Im Studienalltag bleibt dennoch oft nicht die Zeit für Berufsorientierung und Praxiseinblicke. Viele Student*innen berichteten von hohem Druck und einem hohen Anspruch am Ende des Studiums, der durch die vielseitigen Anforderungen und Erwartungen entsteht. Den Teilnehmenden des MentUOS fehlte außerdem häufig ein Bewusstsein für ihre Stärken, obwohl die Gruppe an Teilnehmenden jedes Mal, trotz unterschiedlichster Erwartungen und Ziele, vielseitig interessiert, engagiert, ehrgeizig und vor allem bestens ausgebildet war. MentUOS gab der Suche nach dem richtigen Karriereweg Zeit: Die ehemaligen Teilnehmenden berichten heute gern von dem Programm und betonen diesen Aspekt ganz besonders: Ohne MentUOS hätten sie vermutlich nicht die Gelegenheit gehabt sich so ausführlich und gezielt mit ihrer beruflichen Zukunft und ihren eigenen Wünschen auseinanderzusetzen. Damit hatten sie die Möglichkeit an einem Programm teilzunehmen, von dem die Mentor*innen sagen: So etwas hätten sie sich gewünscht.
So beschreiben die Mentees das Mentoringprogramm
Für mich war es hilfreich mit jemandem zu reden, die meine zukünftige Vorgesetzte sein könnte, einfach um besser zu verstehen, was da so gefordert und gedacht wird. Ich konnte dadurch auch ganz neue Denkansätze kennen lernen.
Ich bin froh, dass es ein Programm gibt, was mich als Mitglied eines benachteiligten Geschlecht fördert.
Ich fand es toll zu sehen, wie Karrierewege in anderen Disziplinen aussehen können und ich habe eine gewisse Karriere-Motivation dadurch bekommen, von so vielen aufstrebenden Frauen umgeben zu sein. Ich konnte mir von den anderen auch ein paar Tricks abgucken und habe Karriereschritte in Erwägung gezogen, die ich vorher nicht so auf dem Schirm hatte.