Media of Production (Project Areas)
Die gemeinsame Forschung im SFB 1604 organisiert sich ausgehend von den drei Schlüsselmedien der Produktion von Migration in den drei Projektbereichen Figuren, Infrastrukturen und Räume. Auf diese Medien der Produktion baut die avisierte Entwicklung einer Theorie der gesellschaftlichen Produktion von Migration auf.
Deren Prozesse sind grundsätzlich offen und nie abgeschlossen, bedingt durch die Dynamik und Vielzahl der beteiligten sozialen Praktiken, Akteure, Beziehungen, Situationen, Kontexte und Diskurse. Diese prinzipielle Offenheit steht im Wechselverhältnis mit der empirisch zu beobachtbaren Schließung im Sinne charakteristischer Muster, Routinen und Pfadabhängigkeiten. Bei der Identifizierung von Aushandlungen, die Wirkung entfalten und Strukturen schaffen, beobachten wir die Herausbildung oder den Einsatz entsprechender ›Infrastrukturen‹ und die Bezugnahme auf spezifische ›Figuren‹ und ›Räume‹. Migration und ihre Bedeutung werden durch diese drei zentralen – zugleich ermöglichenden und einschränkenden – Medien produziert. Der Produktionsprozess und der Wandel gesellschaftlicher Migrationsverhältnisse werden durch die Medien strukturiert, die empirische ineinandergreifen, sich wechselseitig beeinflussen und zusammenwirken.
Die Arbeit in jedem Projektbereich wird durch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin koordiniert. Jeweils zwei Teilprojektleiter:innen entwickeln als interdisziplinäres Tandem die Konzeption eines Mediums federführend weiter.
Figuren der Migration sind Formen gesellschaftlicher Bedeutungs- und Differenzproduktion. Sie sind das Ergebnis wissensbasierter sozialer und psychischer Konstruktionsprozesse, in deren Verlauf stereotypisierende Vorstellungen über Menschen, Gruppen und räumliche Bewegungen entstehen, semantisch verdichtet, objektiviert und zu Bausteinen der Aushandlung von Identitäten, (Nicht-)Zugehörigkeiten und Ungleichheiten werden. Der gesellschaftliche Umgang mit Migration ist davon geprägt, welche Vorstellungen über ›Migrant:innen‹ vorhanden und wie diese individuell, diskursiv und institutionell verankert sind. Figuren der Migration wirken wie eine Linse, durch die Akteure Migration und Gesellschaft beobachten und komplexe Vorgänge und Phänomene auf griffige Bilder und Darstellungen reduzieren. Ausgehend von diesen Annahmen erforscht der Projektbereich A die (Re)Produktion und Wirkmächtigkeit von verschiedenen Figuren der Migration und der mit ihnen verbundenen Herstellung gesellschaftlicher Selbst- und Fremdwahrnehmungen.
Die fünf Teilprojekte in diesem Projektbereich untersuchen konkrete Konstellationen der Aushandlung und Wirkung individueller und kollektiver Wahrnehmungsmuster, Einstellungen und Zuschreibungen.
Das geschieht in zwei Hinsichten: Zum einen wird nach Figurierungen gefragt, mithin danach, wie Figuren auf der individuellen, sozialen und institutionellen Ebene hergestellt und festgeschrieben werden, wie also Akteure Figuren der Migration über Differenzierungen, Typisierungen und Identitätszuschreibungen schaffen. Zum anderen betrachtet der Projektbereich, wie diese Differenzproduktionen auf die Aushandlung von Migration und ihrer Bedeutung wirken und welche Folgen dies für gesellschaftliche Ein- und Ausschlüsse hat.
Um diese Fragen zu beantworten, fokussieren die Teilprojekte unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche und Ausformungen von Figuren der Migration. Sie beleuchten Praktiken und Prozesse der (De)Migrantisierung sowie Veränderungen und Ausdifferenzierungen über die Zeit. Die untersuchten Kontexte umfassen individuelle Wahrnehmungen, soziale Bewegungen, Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft und Arbeitsmarkt sowie politische und massenmediale Diskurse.
Teilprojekte:
- A1 | Die Produktion der ›Anderen‹: (De-)Thematisierung migrationsbezogener Differenz
- A2 | Die Produktion der Diskriminierten in antirassistischen Bewegungen
- A3 | »Ihr seid Gastarbeiterkinder!« Wissenschaft, Schule und die Produktion von Figuren der Migration
- A4 | Fragmentierte Arbeitswelten in der (Post-)Pandemie: Die Produktion von Ungleichheit durch Figuren migrantischer Arbeitskräfte
- A5 | ›Flüchtlinge‹ und andere: Die Produktion fluchtbezogener Figuren seit den 1970er Jahren
Koordination des Projektbereichs:
Dr. Isabell Diekmann
Medientandem:
n.n.
Für die Herstellung oder Einschränkung von Mobilitäts- und Zugehörigkeitsoptionen sind spezifische Infrastrukturen und die mit ihnen verbundenen Apparate und Akteure erforderlich. Die Arbeit an migrationsbezogenen Unterscheidungen, Kategorisierungen und Bedeutungszuschreibungen werden ebenso wie konkrete Entscheidungen über (Im-) Mobilität oder In-/Exklusion im Rahmen komplexer Struktur- und Akteurskonstellationen entwickelt. Dabei geraten nicht nur institutionelle und regulatorische Strukturen wie das Recht in den Blick, sondern auch die (Re-)Produktion und Wirkungsmacht materieller, technologischer, sozialer, aber auch sprachlich-kommunikativer Infrastrukturen.
Die fünf Projekte im Projektbereich B untersuchen zum einen die Infrastrukturierungen und Operationslogiken institutioneller bzw. organisatorischer Akteure (z.B. Verwaltungen, Grenzschutzorganisationen, Rekrutierungsagenturen und NGOs), und zum anderen das Wechselverhältnis zwischen der Entstehung und Veränderung migrationsbezogener Infrastrukturen sowie der von ihnen ausgehenden Prägung der Praktiken und des Zusammenwirkens individueller Akteure (z. B. migrierte Fachkräfte). Im Mittelpunkt steht die Frage, inwiefern verschiedene Arten von (insbesondere immateriellen) Infrastrukturen den Zugang (›access‹) durch Mobilität oder Zugehörigkeit im Kontext der Migration erleichtern oder behindern, und auf welche Art und Weise die Produktion von Migration über die verschiedenen Infrastrukturen ausgehandelt wird.
Teilprojekte:
- B1 | Die Produktion von (Im-)Mobilität: Das Visum als Grenzinfrastruktur
- B2 | Die Produktion von Mobilitätsoptionen: Migrations- und Grenzmanagement im Rahmen der Eastern Partnership der Europäischen Union
- B3 | Die Produktion geschlechterdifferenzierender Migrationspolitiken
- B4 | Moscheen und die Produktion von Zugehörigkeit
- B5 | Das mehrsprachige Krankenhaus. Die Produktion von Migration durch Sprache als kommunikative und soziale Infrastruktur
Koordination des Projektbereichs:
Medientandem:
Wanderungsbewegungen haben immer auch eine räumliche Dimension. Die Produktion von Migration ist nicht nur stets verortet, sie schafft und nutzt auch Räume und Raumvorstellungen: Die doppelte Räumlichkeit der Produktion von Migration umfasst zum einen ihre jeweiligen räumlichen Bedingungen, die sich in nationalstaatlichen, aber auch lokalen oder internationalen Kontexten ausformen, die von konkreten Orten über Länder bis zu transnationalen Räumen reichen.
Zum anderen ist die Produktion durch Verräumlichung geprägt, das Aushandeln von Migration und ihren Bedeutungen durch räumliche Indizierung und räumliches Anordnen charakterisiert. Damit erfüllen beispielsweise ›Ankunftsquartiere‹ oder Grenzregionen ordnende und strukturierende Funktionen und werden zugleich durch die Produktion von Migration geprägt und mit Bedeutungen belegt.
Teilprojekte:
- C1 | Die Produktion städtischer Migrationsräume durch Kommunen und Wissenschaft
- C2 | ›Unmaking Migrants?‹ Die Produktion der EU-Binnen- und Außengrenzen und ihre Effekte in historisch-postkolonialer Perspektive
- C3 | Die Produktion von Räumen der Fachkräftemigration: Anwerbung und Mobilität von Ärzt:innen
- C4 | Die Produktion von Räumen migrantischen Verschwindens
- C5 | Die Produktion von Klimaflucht als Theoretisierungsanlass
Koordinatorin des Projektbereichs:
Medientandem: