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Pressemeldung
Nr. 46 / 2022
22. August 2022 : Das Herz im richtigen Rhythmus halten – Osnabrücker Entwicklungsbiologen entdecken neuen Mechanismus zur Regulation der Herzfunktion
Wie das Herz seinen Rhythmus beibehält, hat ein Forschungsteam der Universität Osnabrück näher untersucht. Eine bislang gänzlich unbekannte, jedoch maßgebliche Rolle bei der Regulation des Herzschlags spielt den Erkenntnissen zufolge das Enzym „Neprilysin 4“. Es ist entscheidend für ein regelmäßiges Anspannen und Entspannen des Herzmuskels. Die in der Abteilung Zoologie-Entwicklungsbiologie (Prof. Dr. Achim Paululat) von der Gruppe um Dr. Heiko Harten erhobenen Ergebnisse sind unter dem Titel „Neprilysins regulate muscle contraction and heart function via cleavage of SERCA-inhibitory micropeptides“ in Nature Communications erschienen.
Das menschliche Herz pumpt jeden Tag ca. 8.000 Liter Blut durch das Gefäßsystem. Um dies zu gewährleisten, muss im Menschen, wie auch im gesamten Tierreich, die Konzentration an Calciumionen innerhalb der Herzmuskelzellen exakt reguliert werden. Als entscheidender Faktor dieser Regulation ist bereits seit längerem die Calciumpumpe „SERCA“ bekannt. Ihre Hauptfunktion besteht darin, Calciumionen aus dem Cytosol der Muskeln zu transportieren. Durch diese Aktivität wird die Relaxationsphase des Muskels eingeleitet, also die Entspannung. Nur wenn die Calciumpumpe richtig funktioniert, kann ein regelmäßiger Herzschlag stattfinden.
Biologinnen und Biologen der Universität Osnabrück konnten nun, in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen der Universität La Plata (Argentinien) und aus Bad Oeynhausen, einen neuen Mechanismus beschreiben, den offenbar alle Herzzellen nutzen, um die Aktivität der Calciumpumpe zu regulieren. Dieser stellt sicher, dass das Herz auch unter wechselnden physiologischen Bedingungen seine Rhythmizität beibehält. Der neu identifizierte Mechanismus basiert auf der Aktivität des Enzyms Neprilysin 4. Bislang wurden Neprilysine nicht mit Erkrankungen des Herzens bzw. mit der Regulation der Calciumpumpe in Verbindung gebracht.
„Die Taufliege Drosophila melanogaster ist eines der weltweit am häufigsten genutzten Modellsysteme für translationale Forschungsprojekte an der Schnittstelle zwischen Biologie und Medizin. In diesem Projekt haben wir Hochgeschwindigkeits-Videoanalysen von Herzaufnahmen der Taufliege ausgewertet und konnten zeigen, dass es zu Herzrhythmusstörungen kommt, wenn das Enzym Neprilysin 4 im Herzen vermehrt auftritt“, berichtet Dr. Ronja Schiemann von der Universität Osnabrück, Co-Erstautorin der Studie. Doktorandin Annika Buhr, ebenfalls Co-Erstautorin, berichtet weiter: „Diese Beobachtung war ausgesprochen spannend und wir sind ihr näher auf den Grund gegangen. Anschließende Untersuchungen ergaben dann, dass eine zu hohe Konzentration des Enzyms Neprilysin 4 tatsächlich dafür verantwortlich ist, dass die für den Rhythmus essentielle Calciumpumpe fehlerhaft reguliert wird. Die fehlerhafte Regulation hatte abnormale Calciumströme und schließlich die beobachteten Herzrhythmusstörungen zur Folge.“
Das Ziel translationaler Forschung ist es, Erkenntnisse, die in biologischen Modellsystemen wie beispielsweise der Drosophila gewonnen wurden, auf den Menschen zu übertragen. „Im Sinne eines translationalen Ansatzes haben wir eng mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Hendrik Milting vom Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen zusammengearbeitet. Wir konnten durch die Nähe zum Patienten zeigen, dass die im Herz der Taufliege vorkommenden Faktoren auch im menschlichen Herzen existieren und ihre Verteilung innerhalb der Herzmuskelzellen annähernd identisch zu der Verteilung im Fliegenherz ist. Das lässt bereits jetzt auf eine vergleichbare Funktionalität schließen“, so Studienleiter Dr. Heiko Harten.
Eine auf den erhobenen Daten basierende Entwicklung neuartiger Therapien zur Behandlung humaner Herzkrankheiten gibt Dr. Harten als das übergeordnete Ziel seiner Studien an. Hierfür müsse zunächst genauer untersucht werden, inwieweit der in der Taufliege entdeckte Mechanismus tatsächlich auf das menschliche Herz übertragen werden kann.
Die Studie zum neuartigen Regulationsmechanismus der Calciumpumpe in Herzmuskelzellen wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 944 „Physiologie und Dynamik zellulärer Mikrokompartimente“, Teilprojekt P21, durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Zusätzliche finanzielle Mittel hat die Hans Mühlenhoff-Stiftung zur Verfügung gestellt.
Zur Veröffentlichung: https://www.nature.com/articles/s41467-022-31974-1
Weitere Informationen für die Redaktionen:
Dr. Heiko Harten
Fachbereich Biologie/Chemie
Abteilung Zoologie-Entwicklungsbiologie
Tel.: +49 541 969-2858
heiko.harten@uni-osnabrueck.de