Hauptinhalt

Topinformationen

Pressemeldung

Nr. 177 / 2017

22. September 2017 : Psychologiestudentinnen der Uni Osnabrück interviewten Menschen im Kosovo zu Abschiebung und „freiwilliger Ausreise“

Über Instrumente zur Migrationskontrolle wird in Politik und Medien viel diskutiert. Aber was bedeutet es für Geflüchtete, wenn ihr Asylgesuch abgelehnt wird und sie in ein „sicheres Herkunftsland“ wie den Kosovo zurückkehren müssen? Dem Erleben von Abschiebung und „freiwilliger Auseise“ sowie der Situation (zurück) im Kosovo widmeten sich die Absolventinnen des Studiengangs Interkulturelle Psychologie Maria Jaschick, Lucia Thumm, Verena Biskup und Kathrin Sautter an der Universität Osnabrück.

In den vergangenen Monaten standen die Themen „Flucht“ und „Asylpolitik“ häufig im Zentrum der deutschen Öffentlichkeit. Dabei geht es auch um die Kontrolle von Migration durch Instrumente wie Abschiebung und „freiwillige Ausreise“. Zuletzt stand die „Abschiebbarkeit“ von Menschen aus Syrien, dem Irak und zuletzt Afghanistan im Fokus. Doch betrafen von insgesamt über 25.000 Abschiebungen aus Deutschland im Jahr 2016 noch immer rund 75 Prozent die Westbalkanstaaten, die zu den „sicheren Herkunftsländern“ zählen - 5037 davon Menschen aus dem Kosovo (Angaben des Bundesministerium des Inneren von 2017).

Aus der Sicht der Studentinnen kommt der Perspektive der Betroffenen in dieser Diskussion jedoch zu wenig Beachtung zu. Vor diesem Hintergrund werteten sie 20 Interviews mit in den Kosovo zurückgekehrten Geflüchteten qualitativ aus. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass sowohl eine Abschiebung als auch eine „freiwillige Ausreise“ kritische Lebensereignisse darstellen. Maria Jaschick erklärt: »Unter einem kritischen Lebensereignis versteht man in der Psychologie eine einschneidende Erfahrung, die von starken Emotionen, mangelnder Vorhersehbarkeit und Kontrollverlust gekennzeichnet ist. Sie kann im Extremfall traumatisch wirken.«

Die Interviews zeigten, dass die „freiwillige Ausreise“ meist keine freie Entscheidung für die Rückkehr bedeutet, da ansonsten die gewaltsame Abschiebung droht. So stimmten einige Betroffene der geförderten Rückkehr nur deshalb zu, um sich selbst oder ihre Kinder vor dem traumatischen Erlebnis einer Abschiebung zu schützen. Nach ihrer Rückkehr haben die Personen mit eingeschränktem Zugang zu finanzieller Unterstützung und medizinischer Versorgung zu kämpfen. Kinder, die in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen sind, müssen alles Vertraute zurücklassen und haben Schwierigkeiten, sich an das Leben im Kosovo zu gewöhnen – manche von ihnen müssen zunächst die albanische Sprache (wieder) erlernen. Angehörige der Roma, Ashkali und Ägypter sind zudem von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen. Für sie stellt die Situation nach der Rückkehr häufig eine existenzielle Bedrohung dar. Das kritische Lebensereignis der Rückkehr und ihre Folgen für die Betroffenen werfen für die Studentinnen die Frage auf, ob Abschiebung und „freiwillige Ausreise“ zu rechtfertigende Verfahren sind, um Migration zu kontrollieren.

Weitere Informationen für die Redaktionen:
Lucia Thumm
lthumm@uni-osnabrueck.de