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Pressemeldung

Nr. 30 / 2017

31. Januar 2017 : Ehrendoktorwürde für katholische Theologin - Universität Osnabrück würdigt das wissenschaftliche Lebenswerk von Prof. Dr. Elisabeth Gössmann

Bewusst hat sich Elisabeth Gössmann in den fünfziger Jahren für ein Studium der katholischen Theologie entschieden – wohl wissend, dass ihr als Frau damit akademische Karrierewege verbaut bleiben würden. Dass die Wissenschaftlerin heute als Begründerin der theologischen Frauenforschung weltweites Ansehen genießt, ist nicht zuletzt ihrem engagierten Einsatz für die Wahrnehmung der Frau in der Geschichte und Gegenwart des Christentums geschuldet. In Anerkennung ihrer Verdienste und für ihr wissenschaftliches Lebenswerk wurde ihr nun die Ehrendoktorwürde der Universität Osnabrück verliehen.

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© Universität Osnabrück / Utz Lederbogen

Akademischer Festakt mit Festrednerin Prof. Dr. Haruko Okano (Tokyo), Prof. Dr. Martina Blasberg-Kuhnke, Laudatorin Prof. Dr. Helen Schüngel-Straumann, Bischof Franz-Josef Bode, den Schwestern der Geehrten Deborah und Prof. Dr. Hilaria Gössmann, Prof. Dr. Margit Eckholt und Dekan Prof. Dr. Rüdiger Müller.

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Als Theologin der Generation von Joseph Ratzinger, Peter Hünermann und Theodor Schneider hatte die 1928 in Osnabrück geborene Akademikerin keinen einfachen Stand: 1952 legte sie das Staatsexamen mit Auszeichnung in Münster ab, bereits 1954 wurde sie an der katholisch-theologischen Fakultät in München mit summa cum laude zum Doktor der Theologie promoviert. Doch trotz der hervorragenden Abschlüsse erhielt sie keine Anstellung an der theologischen Fakultät. Als Konsequenz zog Prof. Gössmann mit ihrer Familie 1955 nach Tokyo, um einen Lehrauftrag als Dozentin für deutsche Literatur des Mittelalters an der Sophia-Universität der Jesuiten und für moderne christliche Philosophie an der Seishin-Frauenuniversität wahrzunehmen.    

Ihren ersten Antrag auf Erwerb der akademischen Lehrerlaubnis zog die Wissenschaftlerin aufgrund der bis dahin ungeklärten Stellung von Laien in der Theologie auf Ratschlag ihres damaligen Lehrers Michael Schmaus 1963 zurück. Erst 15 Jahre später gelang es der Akademikerin im zweiten Versuch zu habilitieren, diesmal im Fach Philosophie bei dem Religionsphilosophen Eugen Biser an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo sie die Venia legendi für Philosophie des Mittelalters erhielt. Nach der Ernennung zur außerplanmäßigen Professorin im Fachbereich Philosophie an der Universität München im Jahr 1990 musste sie die Lehrtätigkeit an der Seishin-Universität beenden, wurde dort zur Ehrenprofessorin ernannt, und blieb weiterhin tätig in der Begleitung und Beratung verschiedener wissenschaftlicher Projekte.

Die Forschungsthemen Gössmanns zeigen eine umfassende Bandbreite. So arbeitete sie unter anderem zum Christentum in Japan, zur Mediävistik und zu vielfältigen fundamentaltheologischen Fragen. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stand indes die Frage nach der Stellung der Frau in Geschichte und Gegenwart des Christentums. Bereits 1962 erschien ihr Buch „Das Bild der Frau heute“, in dem sie die These von der „Unableitbarkeit des Frauseins vom Mannsein“ sowie der „gleichen Unmittelbarkeit des Menschseins im Mann und in der Frau“ formulierte.

In den folgenden Jahren setzte sich Gössmann – sicherlich auch durch ihre eigene Biographie beeinflusst – mit diesem Thema auseinander und wurde damit zur prägenden Denkerin der Theologischen Frauenforschung und letztendlich der feministischen Theologie. Umfangreiche Arbeitsgebiete, denen Gössmann sich mit großer Energie und Schaffenskraft widmen sollte, auch wenn sie in der 1981 erschienen Publikation „Die streitbaren Schwestern“ eingestehen musste, dass mit der Formulierung einer feministischen Theologie das Potential der Frauentradition in der christlichen Geschichte noch längst nicht umfassend erschlossen sei.

»Aus heutiger Sicht erscheint vieles, was wir den Forschungen von Frau Prof. Gössmann zu verdanken haben, beinahe selbstverständlich«, so Prof. Dr. Martina Blasberg-Kuhnke, Direktorin des Instituts für Katholische Theologie der Universität Osnabrück. »Doch wenn man bedenkt, wie überaus schwierig es vor noch nicht einmal fünfzig Jahren war, als Wissenschaftlerin in der katholischen Kirche zu reüssieren, kann man nicht genug wertschätzen, was Elisabeth Gössmann geleistet hat und wie sehr sie uns nachfolgenden Theologinnen damit den Weg bereitet hat.« Und Prof. Dr. Margit Eckholt vom Institut für Katholische Theologie fügt hinzu: »Prof. Gössmanns tiefe Gelehrsamkeit, verbunden mit dem festen Willen, einen großen und bislang unerschlossenen Bereich der christlichen Theologie, nämlich sowohl das Wirken als auch das Bild der Frau, herauszuarbeiten, macht sie für Generationen von Theologinnen zum Vorbild.«

Auch Prof. Dr. Helen Schüngel-Straumann (Basel) ging in ihrer Laudatio auf die maßgebliche Rolle Prof. Gössmanns ein und zitierte die Theologin und Weggefährtin Prof. Dr. Herlinde Pissarek-Hudelist: »Elisabeth Gössmann hat schon zu einer Zeit der Unableitbarkeit des Frauenseins vom Mannsein formuliert, als weit und breit noch Unterwerfungstheologie gelehrt wurde, und dies unter Berufung auf den lieben Gott. Sie lehrt uns vor allem, dass wir Theologinnen nicht geschichtslos sind. Diese Erkenntnis ist ermutigend, aber kein Ruhebett.« 

Weitere Informationen für die Redaktionen:
Dr. Oliver Schmidt,
Stell. Pressesprecher der Universität Osnabrück,
Neuer Graben 29 / Schloss, 49074 Osnabrück,
Tel. +49 541 969 4516,
E-Mail: oliver.schmidt@uni-osnabrueck.de