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Pressemeldung

Nr. 68 / 2017

03. April 2017 : Osnabrück in Hollywood: Sprachwissenschaftler der Uni beriet Filmproduktion

Die Geisteswissenschaften sind ein verkopfter anwendungsloser Luxus und bestenfalls zur Lehrerausbildung gut – so ein weit verbreitetes Klischee. Die englische Sprachwissenschaft in Osnabrück zeigt gerade, dass die Realität ganz anders aussieht. Vor einigen Wochen erhielt Dr. Alexander Bergs, Professor für Sprachwissenschaft des Englischen an der Universität Osnabrück, eine außergewöhnliche Anfrage. Eine Filmproduktionsfirma aus Hollywood fragte an, ob er bereit wäre, als linguistischer Berater an einem Filmprojekt für den renommierten National Geographic mitzuarbeiten.

In dem Projekt mit dem Titel „Origins: The Journey of Humankind“ sollen die großen historischen Ereignisse und Innovationen der Menschheitsgeschichte unterhaltsam, aber auch wissenschaftlich korrekt dargestellt werden. Um eine möglichst authentische Darstellung zu erzielen, wollten die Produzenten einige Texte in den jeweiligen Landessprachen und historischen Sprachstufen verwenden.

»Man fragte mich als Linguisten, ob ich bereit wäre, für einige Szenen Texte ins Englisch des Mittelalters, also Altenglisch und Mittelenglisch sowie ins Mittelniederländische zu übersetzen und als Berater dafür Sorge zu tragen, dass die Sprache auch authentisch klingt«, so Bergs. »Das war schon außergewöhnlich und klang so interessant und reizvoll, da musste ich nicht lange überlegen und habe sofort zugesagt.« Es wurde schnell deutlich, dass eine Filmproduktion nicht den normalen wissenschaftlichen Arbeitsprozessen entspricht.

Die Ursprungstexte konnten erst relativ kurz vor den Drehtagen geliefert werden, mussten dann schleunigst übersetzt, in Lautsprache aufgeschrieben und auch in Sounddateien eingesprochen werden, um den Dialekt-Coaches vor Ort überhaupt einen Anhaltspunkt über die richtige Aussprache zu geben. »Die Aufgabe war zum einen linguistisch sehr spannend - denn wann übersetzt man schon einmal modernes Englisch in die Sprache des Mittelalters?, - zum anderen war es natürlich faszinierend solche Einblicke in eine echte Filmproduktion zu bekommen«, so Bergs weiter.

»Ich war schon sehr überrascht, wie einfach und schnörkellos Drehbücher doch eigentlich sind, und wie viel Dynamik in der Produktion steckt.« So kam auch prompt wenige Stunden vor dem Dreh eine Nachricht, man wolle nun doch lieber modernes Englisch nehmen, aber mit einem „altenglischen Akzent“. »Da musste ich dann erstmal in meiner Beraterfunktion aufklären, dass es keinen altenglischen Akzent für das moderne Englisch geben kann. Altenglisch ist eine eigene historische Sprachstufe, mit ganz anderer Grammatik, Aussprache und anderen Worten. Man kann heute wohl so etwas wie einen französischen oder italienischen Akzent erkennen, aber beim Altenglischen hätte keiner der Zuschauer verstanden, was das für eine seltsame Aussprache gewesen wäre«, schmunzelt Bergs, »Die Produzenten sind dann doch zum ursprünglichen Plan zurückgekehrt und haben sich sogar noch einige kurze Ausrufe wie etwa „Teufel! Verbrennt ihn!“ für die Statisten bei einer Ketzerverbrennung gewünscht. Die konnte ich dann auch noch kurzfristig liefern.«

Die Dreharbeiten sind seit einigen Monaten abgeschlossen und das Filmprojekt ist in den USA bereits am 6. März angelaufen. »Ich habe leider bisher nur die Trailer sehen können, hoffe aber, dass wir hier in Deutschland auch bald Zugang zu „Origins“ haben werden. Ich bin schon sehr gespannt, was am Schluss aus meinen Beiträgen gemacht wurde. Aber dies verspricht eine wirklich spannende Serie zu werden!«

Dass Geisteswissenschaftler als wissenschaftliche Berater bei Film- und Fernsehprojekten mitarbeiten, ist inzwischen immer häufiger der Fall. Der kürzlich erschienene Blockbuster „Arrival“, bei dem eine Linguistin sogar im Mittelpunkt der Handlung steht, hätte eine Sprachwissenschaftlerin von der McGill University, die hier als Beraterin tätig war, fast auf den roten Teppich gebracht. »Origins ist eine hervorragende Produktion, aber für den roten Teppich wird es wohl leider nicht reichen, fürchte ich«, kommentiert der Osnabrücker Linguist. »Schade eigentlich... lustig wär’s schon. Eines ist aber jetzt schon ganz klar: Geisteswissenschaftler machen viel mehr als Bücher lesen!«

Weitere Informationen für die Redaktionen:
Prof. Dr. Alexander Bergs, M.A., Universität Osnabrück
Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft
Institut für Anglistik und Amerikanistik (IfAA)
Neuer Graben 40, D-49074 Osnabrück
Tel: +49 541 969 4255
alexander.bergs@uni-osnabrueck.de
http://uni-osnabrueck.academia.edu/AlexanderBergs/About
Origins: The Journey of Humankind (http://channel.nationalgeographic.com/origins-the-journey-of-humankind/)