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Pressemeldung

Nr. 160 / 2015

22. Juni 2015 : Wie nehmen Bakterien Vitamine auf? Physiker sowie Mikrobiologen der Universität Osnabrück und Humboldt-Universität Berlin konnten Mechanismus entschlüsseln

Ein Team von Physikern der Universität Osnabrück und Mikrobiologen der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) ist es gelungen, den Mechanismus der Vitaminaufnahme durch die Zellhülle von Bakterien zu entschlüsseln. Dabei können Sie nicht nur erklären, wie die Vitaminabgabe im Inneren der Zelle funktioniert, sondern eröffnen auch Perspektiven darauf, wie zukünftig Krankheitserreger attackiert werden könnten. Die Forschungsergebnisse sind in der aktuellen Onlineausgabe der Zeitschrift »Journal of Biological Chemistry« der American Society for Biochemistry and Molecular Biology erschienen.

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© Universität Osnabrück / hjs

In der Zellhülle von Bakterien sorgen Transportermoleküle für die Aufnahme von Nährstoffen. Der Funktionsmechanismus von sogenannten ECF-Transportern, die zum Beispiel krankheitserregende Pneumokokken mit Vitaminen versorgen, wurde jetzt entschlüsselt. Die kraftmikroskopische Aufnahme zeigt ein Escherichia coli Bakterium. Foto: AG Mikrobiologie der Universität Osnabrück

Die »Energy-coupling factor (ECF) –Transporter« wurden erst vor wenigen Jahren als völlig neue Gruppe von biologischen Transportsystemen entdeckt. Sie versorgen viele pathogene Krankheitserreger mit den lebensnotwendigen Substanzen, die diese aufgrund eingeschränkter Stoffwechselleistungen selbst nicht herstellen können. Den Begriff "Energy-coupling factor (ECF)" prägten amerikanische Biologen bereits Ende der 1970er Jahre. Sie vermuteten, dass unterschiedliche Vitamintransporter von einer gemeinsam genutzten, damals noch unbekannten Komponente angetrieben werden.  

In den letzten fünf Jahren haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch die Aufklärung der Raumstruktur von ECF-Transportern eine wesentliche Basis für die jetzigen Untersuchungen gelegt. Dabei wurden von   einem Team von Mikrobiologen unter der Leitung von Prof. Thomas Eitinger (HU) und Prof. Erwin Schneider viele Kopien eines ECF-Transporters aus der Zellhülle von Bakterien isoliert und mit Hilfe eines menschlichen Apolipoproteins in kleine Fettscheibchen verpackt, die als Nanodiscs bezeichnet werden. »Eine solche Präparation in Nanodiscs ermöglichte es uns, die ECF-Transportermoleküle in einer natürlichen Umgebung mittels spektroskopischer Methoden zu analysieren«, erläutert Prof. Heinz-Jürgen Steinhoff vom Fachbereich Physik der Universität Osnabrück.  

Der Vitamintransport verläuft in mehreren Teilschritten: Im ersten Schritt wird das universelle Energiespeichermolekül Adenosintriphosphat (ATP) an den Transporter gebunden. Durch eine folgende Drehbewegung des Proteins wird die Vitaminbindestelle von außen zugänglich. Nach Spaltung von ATP rotiert der Transporter zurück und das Vitamin wird im Zellinneren freigesetzt. »Mittels Anheftung paramagnetischer Sonden an die Transportermoleküle konnten wir kleinste Bewegungsänderungen der Komponenten relativ zueinander aufspüren und diese den einzelnen Teilreaktionen zuordnen«, erklärt Prof. Steinhoff.

Vermutlich arbeiten alle ECF-Transporter nach einem grundsätzlich ähnlichen Funktionsprinzip. Die jetzt vorliegenden Kenntnisse über diesen Mechanismus sind eine Grundlage, um ECF-Transporter als mögliche Achillesferse in Krankheitserregern zu attackieren, zu denen beispielsweise Streptokokken, Staphylokokken, der Produzent des Botulinustoxins und der Tetanuserreger zählen.  

Originalpublikation:
Friedrich Finkenwirth, Michael Sippach, Heidi Landmesser, Franziska Kirsch, Anastasia Ogienko, Miriam Grunzel, Cornelia Kiesler, Heinz-Jürgen Steinhoff, Erwin Schneider, Thomas Eitinger: »ATP-Dependent Conformational Changes Trigger Substrate Capture and Release by an ECF-Type Biotin Transporter«, dx.doi.org/10.1074/jbc.M115.654343         

Weitere Informationen für die Redaktionen:  
Prof. Dr. Heinz-Jürgen Steinhoff, Universität Osnabrück,
Fachbereich Physik,
Tel.: +49 541 9692675,
E-Mail: Heinz-Juergen.Steinhoff@uni-osnabrueck.de

Prof. Dr. Thomas Eitinger, Humboldt-Universität zu Berlin,
Institut für Biologie,
Tel.: +49 30 2093-8103,
E-Mail: thomas.eitinger@cms.hu-berlin.de  

Prof. Dr. Erwin Schneider, Humboldt-Universität zu Berlin,
Institut für Biologie,
Tel.: +49 30 2093-8121,
E-Mail: erwin.schneider@cms.hu-berlin.de