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Pressemeldung

Nr. 50 / 2015

16. Februar 2015 : Studie belegt: Kirchenasyl verhindert staatliche Fehlentscheidungen

Derzeit wird eine durch die Äußerungen von Innenminister Thomas de Maizière ausgelöste breite mediale Kontroverse um Kirchenasyl ausgetragen. Das an der Universität Osnabrück angesiedelte und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt »Proteste gegen Abschiebungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (1993-2013)« unter der Leitung von Prof. Dr. Helen Schwenken vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück (IMIS) untersucht unter anderem die Protestform des Kirchenasyls.

In den letzten Jahren hat sich Kirchenasyl wieder als eine bedeutende Form des Protests gegen Abschiebungen etabliert. Wenn Innenminister de Maizière angesichts der 2014 erneut stark gestiegenen Zahlen an Kirchenasyl (203 Fälle im Vergleich zu 79 im Vorjahr) von einem Missbrauch spricht, den er als für die Verfassung zuständiger Innenminister ablehne, sei dies mit Blick auf die Zahlen wenig plausibel, so die Forscherinnen vom IMIS. Denn 2013 wurde in 95 Prozent der Kirchenasyle eine zuvor geplante Abschiebung nach erneuter Überprüfung der Fälle ausgesetzt. Von den 203 Fällen im Jahr 2014 waren 169 sogenannte Dublin-Fälle, das heißt, es geht um die Zuständigkeit der Prüfung von Asyl- und Schutzgesuchen, deren ordnungsgemäße Durchführung in Ländern wie Italien oder Griechenland oft nicht gewährleistet ist.  

Die Leiterin des deutschen Forschungsteams, Prof. Dr. Helen Schwenken, interpretiert die Daten: »Dass fast alle Kirchenasyle für die Betroffenen positiv endeten, zeigt, dass mit Hilfe dieser Form des zivilen Ungehorsams staatliche Fehlentscheidungen, die die Grundrechte der Betroffenen verletzt hätten, vermieden werden konnten. Somit ist nicht das Kirchenasyl verfassungsrechtlich problematisch, vielmehr stellt es ein Korrektiv zu den staatlichen Abschiebeentscheidungen dar.«

Die quantitativen Ergebnisse des Forschungsprojektes auf Grundlage der Auswertung tausender von Medienberichten zwischen 1993 und 2013 zum Thema Abschiebungen haben gezeigt, dass es in der Bundesrepublik Deutschland neben dem nun viel diskutierten Kirchenasyl ein breites Spektrum an Akteuren und Protestformen gibt: Dies reicht von Betroffenen, die sich ihrer eigenen Abschiebung widersetzen über Demonstrationen von Schulklassen und Sportvereinen oder Protestaktionen gegen Sammelanhörungen bis hin zu Piloten, die nicht an Abschiebeflügen mitwirken wollen. Der Protest ist zumeist lokal verankert und findet eine starke gesellschaftliche Zustimmung.

Weitere Informationen für die Redaktionen:
Prof. Dr. Helen Schwenken, Universität Osnabrück
Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück (IMIS)
Neuer Graben 19a/b, 49076 Osnabrück
Tel. +49 541 969 4748
hschwenken@uni-osnabrueck.de