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Pressemeldung

Nr. 117 / 2008

24. April 2008 : Sächsischer Verfassungsgerichtshof stärkt Parlamentsrechte - Rechtswissenschaftlerin der Uni Osnabrück vertrat sächsische Landtagsfraktion

Wo zieht die Verfassung die Grenze zwischen den Aufgaben und Befugnissen der Regierung und des Parlaments? Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat mit seiner Entscheidung am 23. April (87-I-06) klare Leitlinien formuliert, um diese staatsrechtlich zentrale Frage zu beantworten, berichtet die Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Heike Jochum von der Universität Osnabrück. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen des 4. Sächsischen Landtages hatte, vertreten durch Prof. Jochum, das Verfassungsgericht angerufen, da die Staatsregierung Ende 2006/Anfang 2007 umfangreiche Programmvorschläge für die europäische Strukturförderung Sachsens in den Jahren 2007 bis 2013 beim Bund und bei der Europäischen Kommission eingereicht hat, ohne das Parlament rechtzeitig und in ausreichendem Maße über diese Pläne zu informieren.

Wo zieht die Verfassung die Grenze zwischen den Aufgaben und Befugnissen der Regierung und des Parlaments? Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat mit seiner Entscheidung am 23. April (87-I-06) klare Leitlinien formuliert, um diese staatsrechtlich zentrale Frage zu beantworten, berichtet die Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Heike Jochum von der Universität Osnabrück. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen des 4. Sächsischen Landtages hatte, vertreten durch Prof. Jochum, das Verfassungsgericht angerufen, da die Staatsregierung Ende 2006/Anfang 2007 umfangreiche Programmvorschläge für die europäische Strukturförderung Sachsens in den Jahren 2007 bis 2013 beim Bund und bei der Europäischen Kommission eingereicht hat, ohne das Parlament rechtzeitig und in ausreichendem Maße über diese Pläne zu informieren.

Der Landtag als Stätte der politischen Willensbildung sei dadurch von der Regierung in seinen verfassungsrechtlich verbürgten Informationsrechten verletzt worden, stellte das höchste Sächsische Gericht fest. Aus der besonderen Stellung des Parlaments in einer repräsentativen Demokratie folge das Recht, sich aller für das Staatswesen bedeutsamen Themen anzunehmen und sie zum Gegenstand der politischen Debatte zu machen. Das Parlament stelle in einer Demokratie das Forum dar, in dem Grundsätze und Leitlinien der Landespolitik auf der Basis eines breiten Meinungsspektrums vor der Öffentlichkeit diskutiert und bewertet werden. Die Staatsregierung sei deshalb von Verfassungs wegen gehalten, den Landtag über staatsleitende Regierungsentscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung zu unterrichten. Dabei müsse das Parlament in die Lage versetzt werden, Anlass, Inhalt und Auswirkungen der Maßnahme zu bewerten sowie sich hierzu eigenverantwortlich einen politischen Willen zu bilden und diesen durchzusetzen. Daher sei das Parlament rechtzeitig und vollständig zu informieren, so dass ihm hinreichend Zeit zu eigener politischer Willensbildung bleibe. Weitere Mitwirkungsrechte stünden dem Parlament allerdings nicht zu.

»Die sächsische Entscheidung ist von bundesweiter Bedeutung«, erläutert Jochum. »Alle Landesverfassungen wie auch die Bundesverfassung gewährleisten dem Parlament gleichermaßen Informationsrechte gegenüber der jeweiligen Regierung. Von herausragender Bedeutung ist die heutige Entscheidung insoweit, als das Gericht zur Art und Weise der Unterrichtung bei besonders komplexen und umfangreichen Planungsprozessen der Regierung Stellung bezieht.« Das Gericht betonte, dass es der Landesregierung zwar freistehe, den Landtag planungsbegleitend sukzessiv über einzelne Planungsabschnitte oder erst über die fertig gestellten Pläne zu unterrichten. Entscheidend sei indes allein, dass das verfassungsrechtlich vorausgesetzte Ziel der Unterrichtung erreicht werde: nämlich die Herbeiführung eines Status vollständiger und rechtzeitiger Informiertheit des Parlaments. Komplexe und umfangreiche Planungen legen nach Auffassung des Gerichtshofs dabei jedoch eine planungsbegleitende sukzessive Unterrichtung des Parlaments nahe. Jedenfalls könne die Regierung durch eine solche Information die Anforderungen deutlich senken, die an die Abschlussunterrichtung des Parlaments zu stellen sind und den Zeitraum erheblich verringern, der dem Landtag zur abschließenden politischen Willensbildung von Verfassungs wegen zwingend zu belassen ist. „Die parlamentarischen Rechte insbesondere der oppositionellen Minderheit erfahren durch diese Grundsatzentscheidung eine ganz erhebliche Stärkung, da hochkomplexe Planungsprozesse immer häufiger auftreten«, so Prof. Jochum.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Heike Jochum, Universität Osnabrück,
Fachbereich Rechtswissenschaften,
Institut für Finanz- und Steuerrecht,
Martinistraße 10, 49069 Osnabrück,
Telefon: +541 969 6168, Fax. +541 969 6167,
instfsr@uni-osnabrueck.de