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Pressemeldung

Nr. 177 / 1997

04. Dezember 1997 : Ehrendoktorwürde für Georges-Arthur Goldschmidt - Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft würdigt "einzigartigen Brückenbauer"

Der in Deutschland geborene und nach Frankreich emigrierte Romancier, Essayist und Übersetzer Georges-Ar-thur Goldschmidt erhält die Ehrendoktorwürde der Universität Osnabrück. Der Osnabrücker Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft würdigt damit einen Autor deutscher und französischer Sprache, der die Literaturen beider Länder "wesentlich bereichert" hat. Sein Erzählwerk mache Goldschmidt zu einem "einzigartigen Grenzgänger und Brückenbauer" zwischen den Kulturen, heißt es in der Begründung des Fachbereichs. Die Auszeichnung wird im Rahmen eines Festaktes am Donnerstag, 18. Dezember 1997, übergeben. Prof. Dr. Chryssoula Kambas, Dekanin des Fachbereichs: "Die Vergabe der Ehrenpromotion an Goldschmidt reiht sich ein in eine mehr als zehnjährige Tradition der Universität Osnabrück, Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik auszuzeichnen, die sich in besonderer Weise für Aufklärung, Verständigung und Versöhnung eingesetzt haben." So haben der Jurist und Literat Robert M. W. Kempner, der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Ernst Loewy, der Lyriker Erich Fried und der Friedens- und Konfliktforscher Johan Galtung die "Würde eines Doktors ehrenhalber" der Universität Osnabrück entgegengenommen.

Georges-Arthur (Jürgen-Arthur) Goldschmidt wurde am 2. Mai 1928 als Sohn eines Oberlandesgerichtsrates jüdischer Herkunft in Reinbek bei Hamburg geboren. Dort wurde er im selben Jahr evangelisch-lutherisch getauft und besuchte von 1935 an die Volksschule. Vor dem Hintergrund des wachsenden Antisemitismus entschieden sich seine Eltern im Mai 1938, ihn und seinen älteren Bruder nach Florenz zu schicken, wo er bei dem von den Nationalsozialisten entlassenen Germanistik-Professor Paul Binswanger unterkommen konnte. Noch vor dem deutsch-italienischen Militärbündnis flohen die Brüder im März 1939 ins französische Savoyen, wo Georges-Arthur Goldschmidt zunächst in einem Internat bei Annecy Zuflucht fand und während der zweijährigen deutschen Besatzung Savoyens 1943/44 von Bergbauern versteckt und so vor der Deportation bewahrt wurde. Seine Eltern allerdings sollte er nicht wiedersehen, und so lebte er nach der Befreiung in einem jüdischen Waisenhaus in Pontoise bei Paris, wo er 1948 das Abitur ablegte und an der Sorbonne ein Germanistik-Studium absolvierte. Von den fünfziger Jahren an hielt sich Goldschmidt mehrfach in Deutschland auf, konnte sich jedoch nicht zu einer definitiven Rückkehr entscheiden. Nach dem französischen Lehrerexamen (CAPES) 1957 unterrichtete er bis zu seiner Pensionierung 1992 an verschiedenen Gymnasien in Paris und der näheren Umgebung.

Von den sechziger Jahren an schrieb Goldschmidt für namhafte Zeitschriften, zum Teil in Zusammenarbeit mit seiner Frau Lucienne Geoffroy. Mit 38 Jahren begann der deutsche Muttersprachler, Essays und Romane in französischer Sprache zu verfassen. Bekannt wurde er durch seine Tätigkeit als Literaturkritiker und vor allem als Übersetzer philosophischer und literarischer Werke, so von Nietzsche, Benjamin und Kafka sowie einem großen Teil des erzählerischen Werks von Peter Handke. 1991 wurde Georges-Arthur Goldschmidt mit dem Henning-Kaufmann-Preis und Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet, im Jahre 1993 erhielt er den Bremer Literaturpreis.

Zu den Werken Goldschmidts gehört der Roman Le Fidibus und die Erzählungen Le Miroir quotidien (Der Spiegeltag), Un jardin en Allemagne (Ein Garten in Deutschland), La Forêt interrompue (Der unterbrochene Wald) und Die Absonderung. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er in Zürich die Erzählung Die Aussetzung. Über seine literarische Arbeit schreibt der Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft: "Georges-Arthur Goldschmidt hat die historische Verantwortung Deutschlands und das Verbrechen des Antisemitismus in ihren extremen Konsequenzen für den Einzelnen sichtbar gemacht. Seine autobiographische Prosa läßt die Dimension der inneren Gefährdung dessen, der ins Räderwerk der Verfolgung gerät, auf erschütternde Weise erkennen."

Kontakadresse
Prof. Dr. Wolfgang Asholt
Universität Osnabrück
Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft
Neuer Graben 40, 49069 Osnabrück
Tel. (0541) 969-4443, Fax (0541) 969-4256